Lies das folgende Kapitel aus dem Roman »Spukhafte Fernwirkung« und nimm es als Ausgangspunkt für deinen eigenen Text. Durch Klick auf den Button hat du viermal die Möglichkeit einen neuen Textausschnitt anzufordern.
Die Ferien sind zu Ende, sie schreiben sich Briefe, doch dann bleiben die Weihnachtsgrüße und -küsse, die Maggie an Karlo geschickt hat, zwischen den Jahren hängen. Sie hängen dort noch immer.
Der Mann hat einen Arm um den Mülleimer geschlungen, als wolle er ihn umarmen wie einen alten Kumpel, er liegt reglos mit geschlossenen Augen, beziehungsweise er liegt gar nicht, sondern hängt vielmehr, weil der Abstand zwischen Mülleimer und Boden zu groß ist für die Proportionen dieses Mannes. Cornelia sieht, wie der Mann halb verrenkt in der Luft hängt, und denkt, das muss doch wehtun, der klemmt sich die Blutzufuhr ab, so wie der Arm da gequetscht wird, weil zwei entgegengesetzte Kräfte an ihm wirken, die Masse des Mülleimers zieht nach oben und das Gewicht des Mannes drückt nach unten; und auch an Cornelia wirkt jetzt eine Kraft, die bewirkt, dass sie sich für ihre nutzlose Neugierde schämt. Sie versucht, kein weiteres Mal hinzuschauen, denn das weiß Cornelia auch, dass sie dem Mann eigentlich helfen müsste, sich aus dieser unwürdigen Position zu befreien, aber sie weiß nicht, wie sie das anstellen soll. Auch die anderen Wartenden wissen es nicht, auch sie werfen verstohlene Blicke, auch sie fragen sich, weil sie nicht wissen, was sie sonst denken sollen, ob die Blutzirkulation nicht abgeschnitten wird, wenn man den Arm so verdreht um einen Mülleimer geschlungen hat, während der restliche Körper über dem Boden hängt. Cornelia sieht, wie eine Frau mit rosa Haaren den Mann mustert, deshalb wagt auch sie einen zweiten Blick. Der Stoff der Hose zwischen den Beinen des Mannes färbt sich dunkel, als würde man Tinte in ein Aquarium gießen.
Zwei Servicekräfte der Verkehrsbetriebe haben den Mann entdeckt und wecken ihn, der Mann schlägt die Augen auf und hat sofort die traurigsten Augen der Welt, alle Umstehenden sehen in diese Augen und möchten sofort weinen, aber sie weinen nicht. Dem Mann läuft etwas aus der Nase, es ist kein Blut, vielleicht lösen sich seine Gedanken auf, denkt Cornelia, vielleicht die Gedanken, die er bräuchte, um irgendwie aus dieser Situation herauszukommen. Oder die Gedanken verabschieden sich, weil es einfach keinen Weg mehr gibt. Eine Frau hat ihr Wurstbrot in den Mund gesteckt und vergisst, was sie damit machen wollte; mit dem Brot zwischen den Zähnen starrt sie den Mann an, der aufgestanden ist und in den nahenden Bus einsteigen möchte. Die Servicekräfte winken bedauernd ab, eine Fahrt in diesem Zustand ist nicht möglich, brauchen Sie Hilfe, sollen wir einen Arzt holen, aber der Mann weiß nicht, was Arzt ist, er deutet auf den Bus, er möchte mit diesem Bus fahren. Alle Fahrgäste steigen ein, der Mann nicht, er kann erstens sich kaum bewegen, weil er zu schwach auf den Beinen ist, zweitens halten ihn die Servicekräfte fest. Cornelia hat einen Moment lang gewartet, bis sie eingestiegen ist, sie wollte sich vergewissern, ob die Servicekräfte ok mit dem Mann umgehen, zumindest solange, bis der Bus kommt. Die Frau mit den rosa Haaren putzt sich die Nase.
Wenn Channa Syed keine bezahlten Online-Kommentare für Visuals of London schreibt, versucht sie sich – unbezahlt – auf ihren Bachelor vorzubereiten. Sie findet es ein bisschen unfair, dass im Gegenzug der Bachelor sich nicht auf sie vorbereitet, warum muss alles immer so eingleisig ablaufen. Seit der Frühen Neuzeit bricht das hierarchische Gesellschaftsmodell zusammen, angeblich, nur ist das noch nicht in Channa Syeds Leben angekommen, warum eigentlich nicht. Und wieso eigentlich Frühe Neuzeit? Channa findet es der Neuzeit gegenüber unfair, sie bereits jetzt, wo sie noch nicht einmal zu Ende ist, in Frühe, Jüngere und Neueste Neuzeit einzuteilen. Was wenn die Neuzeit noch ewig dauert – was durchaus wahrscheinlich ist, denn welche Zeit soll der Neuzeit bitte noch folgen? Es ist schon siebzehn Uhr, und Channa hat erst zwei Seiten Fachliteratur gelesen, und noch keinen einzigen Satz geschrieben, abgesehen von den beiden Sätzen auf der Produktseite von Visuals of London. Waschen muss sie auch noch. Abgabeschluss ist in vier Wochen. Einerseits ist die Zeit ewig, zumindest die Neuzeit, andererseits rast sie.
Wenn mich jemand fragt, wer oder was mein größter Feind im Leben ist, werde ich nicht mich selbst nennen, sondern den Apfelbaum. Nicht irgendeinen Apfelbaum, sondern der Apfelbaum, der mich Nacht für Nacht um meinen Schlaf bringt. Andere Menschen träumen, dass sie verletzt werden und ihnen Leid zugefügt wird – ich träume, von einem Apfelbaum zu fallen. Es klingt lächerlich, das laut auszusprechen, denn niemand kann wirklich nachempfinden, was ich in dem Moment fühle. Dieser Zustand, schlafend und doch bei vollem Verstand, beunruhigt mich. Beim Fallen wache ich auf und bin doch noch im Schlaf. Ich kann meine Gedanken nicht kontrollieren und sie in keine Richtung lenken, die mir gefällt. Ich bin gefangen im Fallen.
Was interessiert dich an dieser Szene? Eine der Figuren? Der Ort? Ein bestimmtes Wort? Es kann auch sein, dass du ein Gefühl ausdrücken möchtest, eine Stimmung, die dich bewegt. Oder etwas, das du beobachtet hast und dich vielleicht schon länger beschäftigt.
Und noch etwas: Mach dir keine Sorgen um Grammatik und Rechtschreibung, etwaige Fehler werden von der 4. Perspektive korrigiert.
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